Notarzt 22; 38: 269-280

Atemwegsmanagement im Notfall

Die Atemwegssicherung im Notfall ist eine seltene, jedoch essenzielle notfallmedizinische Maßnahme mit direktem Einfluss auf Morbidität und Letalität von Notfallpatienten. Der Erfolg des Atemwegsmanagements hängt von verschiedenen Faktoren wie Patientenanatomie, Umweltaspekten sowie dem Durchführenden selbst ab. Dazu wird die Anwendung eines klar strukturierten Algorithmus zur Antizipation des schwierigen Atemwegs in Notfallsituationen dringend empfohlen.

Einführung

Fallbeispiel

Sie versehen als Notarzt Nachtdienst in einer ländlichen Region. Gegen 22 Uhr werden Sie mit dem Einsatzstichwort „Bewusstlose Person“ alarmiert. Sie treffen nach 13 Minuten Anfahrt am Notfallort ein. Die Notfallsanitäter des Rettungswagens (RTW) sind bereits vor Ort. Die Ehefrau des Patienten führt Sie zum Fuß der Kellertreppe, wo Sie den Patienten liegend vorfinden. Die Kollegen des RTW haben bereits den Patienten mit erhöhtem Oberkörper gelagert, halten den Atemweg mittels Esmarch-Handgriff bei Inline-stabilisierter Halswirbelsäule (HWS) offen, applizieren Sauerstoff über eine Gesichtsmaske mit Reservoir und haben ein Basismonitoring (EKG, Pulsoxymetrie, nichtinvasive Blutdruckmessung) neben 2 peripheren Venenzugängen etabliert.

Sie erhalten folgende Übergabe: 68-jähriger Patient, beobachtet durch die Ehefrau auf der Kellertreppe gestolpert und am Fuße derselben bewusstlos liegen geblieben. Bei Eintreffen des RTW: A-Problem bei Rückfall des Zungengrunds korrigiert mittels Lagerung und Esmarch-Handgriff, kein B- oder C-Problem, bezüglich D Blutzucker von 98 mg/dl, GCS von 5 Punkten sowie unter E eine kleine Kopfplatzwunde frontal. Der Patient sei aktuell kardiopulmonal stabil: Herzfrequenz (HF): 79/min, Blutdruck (RR): 147/84 mmHg, pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung SpO2 94%). Fremdanamnestisch konnten eine arterielle Hypertonie sowie ein Prostatakarzinom in Remission erhoben werden.

 

Die Atemwegssicherung im Notfall ist eine seltene, jedoch entscheidende und zeitkritische Maßnahme mit direkten Auswirkungen auf Morbidität und Letalität von Notfallpatienten. Im Notarztdienst in Deutschland wird pro Notarzt bodengebunden etwa alle 1,4 Monate und in der Luftrettung etwa 2-mal im Monat eine Atemwegssicherung durchgeführt. Ein potenzieller Benefit durch diese Maßnahmen setzt ein komplikationsloses Gelingen der Atemwegssicherung voraus. Dieses darf jedoch in Anbetracht der im Vergleich zur operativen Anästhesie deutlich erhöhten Schwierigkeiten nicht als selbstverständlich angenommen werden. Die erforderliche Routine kann daher durch eine alleinige prähospitale Tätigkeit weder erworben noch aufrechterhalten werden.

 

Die Rate der schwierigen Intubationen ist prähospital auf mehr als das Doppelte im Vergleich zur elektiven Atemwegssicherung in der operativen Anästhesie erhöht. Daraus folgt eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine „Cannot intubate“-Situation, die neben dem Erlernen der endotrachealen Intubation selbst auch das Beherrschen entsprechender Alternativen sowie einer sicheren Notfallnarkose erforderlich macht. Da eine Notfallnarkose grundsätzlich eine Atemwegssicherung voraussetzt, sind beide Themen eng miteinander verknüpft. Eine Notfallnarkose stellt jedoch eine eigene, komplexe Intervention dar, deren detaillierte Darstellung nicht Ziel dieses Artikels ist.

 

Probleme des prähospitalen Atemwegsmanagements

Bezüglich kritischer Zwischenfälle im prähospitalen Atemwegsmanagement ergeben sich 3 grundlegende Herausforderungen:

  • die adäquate Indikationsstellung,

  • die richtige Auswahl und Vorhaltung geeigneter Ausrüstung (s. u.),

  • der Aufbau und Erhalt notwendiger Kenntnisse und Fertigkeiten, um die indizierte Atemwegsicherung erfolgreich durchzuführen.

Mangelnde Kompetenz und Fertigkeiten können als Hinweis auf unzureichende Ausbildung oder fehlende Routine aufgefasst werden. Während Anästhesisten durch die vorhandene Routine Atemwegsnotfälle meist sicher beherrschen, können auch Nichtanästhesisten mit einer entsprechenden Ausbildung, regelmäßiger Schulung und klaren Algorithmen für das Atemwegsmanagement im Notfall die nötige Sicherheit erlangen.

Eine wesentliche Voraussetzung ist hierbei ein standardisiertes Vorgehen, welches dem gesamten Notfallteam aus Notfallmediziner und Assistenzpersonal bekannt ist. Dies lässt sich idealerweise mit einem interdisziplinären und interprofessionellen Training vermitteln, welches ein algorithmusbasiertes Management des schwierigen Atemwegs umfasst, wie z. B. der Kurs A.N.N.A. (Atemwegsmanagement und Narkose in Notfall- und Akutmedizin) der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

 

Vorbereitung der Atemwegssicherung

Fallbeispiel – Fortsetzung

Sie führen vor Ort eine orientierende körperliche Untersuchung nach ABCDE-Schema durch und bestätigen die Befunde. Zusätzlich entdecken Sie eine verlangsamte sowie erweiterte Pupille rechts. In Zusammenschau der Befunde gehen Sie von einem Sturzereignis mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) aus und stellen die Indikation für eine Atemwegssicherung. Aufgrund der beengten Platz- sowie der schlechten Lichtverhältnisse entscheiden Sie sich bei aktueller kardiopulmonaler Stabilität unter Sauerstoffapplikation vor Beginn der Narkoseeinleitung, den Patienten in den Rettungswagen zu verbringen. Nach Ankunft im Rettungswagen besprechen Sie mit Ihrem Team folgenden Plan: „Notfallnarkose und Atemwegssicherung im Rahmen des gefährdeten Atemwegs bei schwerem SHT. Ziel ist die Sicherung des Atemwegs in manueller Inline-Stabilisierung durch endotracheale Intubation mittels Videolaryngoskop mit Macintosh-like-Spatel Größe 3 und einem Endotrachealtubus 8,0 mm ID mit Führungsstab. Der Patient hat einen kurzen Hals und ist sehr stämmig – das Risiko für eine erschwerte Intubation ist erhöht.”

 

Eine adäquate Vorbereitung ist die Grundlage für eine reibungslose Atemwegssicherung. Sie stellt die unmittelbare Verfügbarkeit aller benötigten Hilfsmittel inklusive alternativer Strategien sicher und sollte idealerweise in einem Team-Time-out besprochen werden. Checklisten in tabellarischer oder grafischer Form können bei der Vorbereitung hilfreich sein (z. B. RSI-Schablone [RSI: Rapid Sequence Induction] nach), ohne alle Komplikationen verhindern zu können.

Parallel zu diesen Vorbereitungen sollte eine mindestens 3-minütige Präoxygenierung (z. B. mittels Gesichtsmaske mit Reservoir bei einem Flow von mind. 15 l O2/min) erfolgen, um durch Aufsättigung der funktionellen Residualkapazität mit Sauerstoff die tolerable Apnoephase im Rahmen der Narkoseeinleitung zu verlängern. Ferner kann durch nichtinvasive Ventilation (NIV) im Rahmen der Präoxygenierung eine ggf. zusätzlich bestehende ventilatorische Insuffizienz bereits vorab ausgeglichen werden. Zudem sollte eine apnoische Oxygenierung während des Intubationsprozesses mittels Nasenbrille oder -sonde erwogen werden. Weiter müssen ein Basismonitoring – SpO2, nichtinvasive Blutdruckmessung (NIBP), EKG – sowie 2 periphere Gefäßzugänge etabliert werden. Zur Erleichterung der Intubationsbedingungen sollte vor Laryngoskopie der Mund-Rachen-Raum auf Fremdkörper (z. B. Zahnprothesen) inspiziert und solche entfernt werden.

 

Lage und Lagerung des Patienten

Die Indikation zur Atemwegssicherung geht stets vom Patientenzustand aus. In der Entscheidung zur Durchführung entsprechender Maßnahmen müssen allerdings die aktuelle Situation des Notfallpatienten sowie die direkte Umgebung miteinbezogen werden. So ist die Atemwegssicherung unter den prähospital optimalen Bedingungen des Rettungswagens (RTW) einfacher als in beengten Umgebungen wie im Fallbeispiel am Fuße einer Kellertreppe. Deshalb muss erwogen werden, ob eine Rettung und Verbringung in einen RTW analgosediert unter erhaltener, ggf. mit Sauerstoff unterstützter Spontanatmung sicher durchgeführt werden kann.

Die Lagerung des Patienten ist von entscheidender Bedeutung, um eine direkte laryngoskopische Sicht auf die Stimmbandebene durch Annäherung von Mundhöhle, Pharynx und Glottisebene an eine gemeinsame Sichtachse zu erzielen. Die Lagerung des Patienten mit leicht erhöhtem Kopf (sog. „Schnüffelstellung“ oder verbesserte Jackson-Position) bietet meist bestmögliche Intubationschancen. Bei Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule muss diese auch während der Manipulation durch die Laryngoskopie stabilisiert werden. Die üblicherweise verwendeten Immobilisationskragen schränken jedoch die Mundöffnung des Patienten ein und sollten zur Erleichterung der Laryngoskopie ventral geöffnet werden. Die Immobilisation erfolgt dann während des Intubationsvorgangs als manuelle Inline-Stabilisierung (MilS) durch einen Helfer von kaudal ([Abb. 1]). Wenn möglich und speziell bei adipösen Patienten sollte der Oberkörper des Patienten erhöht gelagert werden („Ramped Position“).

Ausrüstung zum Atemwegsmanagement im Notfall

Die zum Atemwegsmanagement vorgehaltene Ausrüstung im Rettungsdienst und außerhalb des OP ist häufig limitiert. Neben einem Laryngoskop mit Macintosh-Spateln zur direkten laryngoskopischen Intubation werden in der Regel noch supraglottische Atemwegshilfsmittel sowie die Möglichkeit zur chirurgischen Atemwegssicherung vorgehalten. Zunehmende Verbreitung finden Videolaryngoskope, für die jedoch bisher kein einheitlicher Standard vorgegeben ist. Aktuelle Konzepte sehen aber heute bereits für den ersten Intubationsversuch optimalerweise die Videolaryngoskopie vor, um einen möglichst hohen First-Pass-Success zu erreichen.

Teamführung

FallbeispielFortsetzung

Zur Narkoseeinleitung planen Sie Esketamin 100 mg sowie Rocuronium 100 mg bei einem geschätzten Gewicht von 95 kg und einer Größe von 180 cm sowie Akrinor und Atropin als Notfallmedikamente für den Fall einer narkoseinduzierten Kreislaufinsuffizienz bei SHT. Sollte der 1. Intubationsversuch scheitern, planen Sie einen 2. Intubationsversuch mit Strategiewechsel je nach Befund. Für den Fall einer erschwerten Atemwegssicherung bitten Sie um Vorbereitung eines Intubationskatheters (Bougie) und einer Larynxmaske Größe 5 als supraglottische Atemwegsalternative. Als Ultima Ratio rekapitulieren Sie im Team, wo sich die Materialien für die chirurgische Atemwegssicherung befinden.

Nach Aufgabenverteilung im Team werden die entsprechenden Medikamente und Hilfsmittel vorbereitet. Sie führen die Präoxygenierung mittels Sauerstoffmaske mit Reservoir und einem Sauerstofffluss von 15 l/min fort. Zusätzlich wird eine Nasenbrille zur apnoischen Oxygenierung während des Laryngoskopie-/Intubationsvorgangs angelegt. Nach Abschluss der Vorbereitung folgt ein checklistenbasiertes Team-Time-out mit Aufgabenverteilung. Im Rahmen der RSI verabreicht eine Notfallsanitäterin die besprochenen 100 mg Esketamin und 100 mg Rocuronium schnell intravenös. 60 Sekunden nach Applikation beginnen Sie die Videolaryngoskopie bei geöffnetem HWS-Immobilisationskragen in manueller Inline-Stabilisierung durch einen Rettungssanitäter ohne Zwischenbeatmung. Es zeigt sich videolaryngoskopisch ein Grad III nach Cormack u. Lehane (vl C/L).

 

Unmittelbar vor Beginn der Narkoseeinleitung sollte ein Team-Time-out stattfinden. Im Zuge dessen müssen unter anderem die Reihenfolge und patientenadaptierte Dosierung der Medikamente sowie Strategien für potenzielle Komplikationen (z. B. narkotikaassoziierte Hypotonie) und eine klare Aufgabenverteilung besprochen werden. Eine Rollenverteilung in Assistenz des Atemwegsmanagements einerseits und Medikamentenapplikation andererseits hat sich bewährt, kann aber je nach Personallage ausgeweitet werden. Nur in wenigen Fällen wie z. B. der Reanimation kann auf eine Narkoseinduktion vor der Atemwegssicherung verzichtet werden.

Die Auswahl der spezifischen Medikamente zur Narkoseeinleitung ist sowohl von den persönlichen Erfahrungen des durchführenden Arztes als auch von den verfügbaren Substanzen abhängig. Eine einfache Option für eine sichere Narkoseeinleitung bietet die Kombination aus Esketamin (1 mg/kgKG) und Rocuronium (1 mg/kgKG).

 

Merke

Eine sichere Dosierung zur Narkoseeinleitung im Notfall bietet die Kombination aus 1 mg Esketamin pro Kilogramm Körpergewicht sowie 1 mg Rocuronium pro Kilogramm Körpergewicht.

 

Evaluation des Atemweges

Grundsätzlich sollte vor Beginn jeder Narkoseeinleitung eine Evaluation des Atemwegs durchgeführt werden. Einen ungünstigen prognostischen Vorhersagewert haben ein Mallampati-Score III und IV, ein fliehendes Kinn bzw. ein thyreomentaler Abstand < 6 cm, ein kurzer Hals, vorstehende obere Schneidezähne und eine verminderte Reklination im Atlantookzipitalgelenk. Für den Mallampati-Score, welcher bei aufrechtem Oberkörper, neutraler Kopfhaltung, geöffnetem Mund und herausgestreckter Zunge die Sichtbarkeit der Uvula, der Gaumenbögen, des weichen und harten Gaumens beurteilt, gilt: Je weniger sichtbar, umso ungünstiger und umso höher der Score-Wert (Mallampati I–IV). Eine Möglichkeit zur Einschätzung des Atemwegs bietet das Akronym „LEMON“, welches entsprechend der jeweiligen Notfallsituation angepasst werden kann (Box Zusatzinfo).

Abb. 2 Klassifikation des Intubationssitus nach Cormack u. Lehane (Quelle: Striebel H, Hrsg. Die Anästhesie. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019).
Abb. 2 Klassifikation des Intubationssitus nach Cormack u. Lehane (Quelle: Striebel H, Hrsg. Die Anästhesie. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019).

Mit diesen Kriterien korreliert die laryngoskopische Sicht auf den Kehlkopf entsprechend der ebenfalls 4-stufigen Einteilung von Cormack u. Lehane als Klassifikation des Intubationssitus ([Abb. 2]). Neben dem Erkennen von anatomischen oder verletzungsbedingten Hinweisen auf eine erschwerte Atemwegssicherung ist die kritische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten ein wesentlicher Bestandteil der Indikationsstellung zur Atemwegssicherung im Notfall.

Management des schwierigen Atemwegs

Der „schwierige Atemweg“ umfasst verschiedene Situationen und Techniken zum Offenhalten und Sichern des Atemwegs, in denen die gewählte Maßnahme einem gut ausgebildeten, in Alternativen geschulten anästhesiologischen Facharzt nicht gelingt. Die Inzidenz des schwierigen Atemwegs im prähospitalen Umfeld variiert zwischen 15–18%. Eine erfolgreiche Intubation im 1. Versuch wird für die Notfallmedizin in 70–90% beschrieben.

Der schwierige Atemweg kann in folgende Teilbereiche eingeteilt werden:

  • schwierige Gesichtsmaskenbeatmung,

  • schwieriges Offenhalten des pharyngealen Atemwegs,

  • schwierige Laryngoskopie,

  • schwierige endotracheale Platzierung des Tubus.

Da im Rahmen der notfallmedizinischen Atemwegssicherung beim Erwachsenen eine RSI mit dem Ziel der endotrachealen Intubation ohne Zwischenbeatmung durchgeführt wird, werden Probleme mit der Maskenbeatmung oder pharyngealen Atemwegsfreihaltung erst bei einem Rückfall auf diese Optionen apparent und relevant.

Die Mehrheit publizierter Atemwegsalgorithmen zielt auf die klinische Versorgung in der operativen Anästhesie mit nüchternen, bekannten Patienten, vielfältigen Optionen und in der Regel ohne unmittelbaren Zeitdruck ab. In der Notfallmedizin kann eine Atemwegssicherung erforderlich werden, weil die Einleitung einer Allgemeinanästhesie mit konsekutiver Atemwegssicherung die suffizienteste Schmerztherapie darstellt. Darüber hinaus besteht jedoch häufig infolge einer perakuten vitalen Bedrohung des Patienten eine zeitkritische Situation, welche lediglich eine „Vorwärtsstrategie“ zulässt. Um einem Fehlerrisiko in derartigen Situationen strukturiert zu begegnen, haben sich bereits an anderer Stelle klare Algorithmen und Teamtrainings, z. B. im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation, bewährt. Solche Algorithmen müssen klar und einfach strukturiert sein, um einen Handlungspfad mit wenigen Optionen jederzeit abrufen zu können, der im Bereich der Atemwegssicherung nur ein einziges Ziel hat: die zeitnahe Oxygenierung des Patienten.

 

Merke

Ziel ist stets die zeitkritische Oxygenierung und Ventilation des Notfallpatienten.

 

Die Ursachen für ein gehäuftes Auftreten einer schwierigen Intubation in der Notfallmedizin sind multifaktoriell. Vier Perspektiven scheinen für die erschwerte Atemwegssicherung im Notfall von besonderer Bedeutung zu sein:

  • An 1. Stelle steht die zeitliche Dringlichkeit, da bei kritischer Gefährdung von Atemweg und Atmung die Atemwegssicherung alternativlos ist.

  • An 2. Stelle steht beim Notfallpatient, der stets als nicht nüchtern gilt, ein hohes Aspirationsrisiko und z. B. Atemwegsverlegungen durch Verletzungen, orale Flüssigkeit oder anatomische Veränderungen, welche die Laryngoskopie- und Intubationsbedingungen verschlechtern, hat.

  • An 3. Stelle führen die limitierten Umgebungsbedingungen wie ungünstige Lichtverhältnisse, räumliche Enge und eingeschränkte technische Rückfalloptionen an der Einsatzstelle zu erschwerten Bedingungen.

  • Darüber hinaus weist die Qualifikation der Durchführenden (Notfallmediziner und Assistenzpersonal) eine hohe Variabilität auf.

 

Abb. 3 Algorithmus „schwieriger Atemweg“ der Rettungshubschrauberstation Christoph 22 Ulm.
Abb. 3 Algorithmus „schwieriger Atemweg“ der Rettungshubschrauberstation Christoph 22 Ulm.

All diese Aspekte müssen durch einen Algorithmus zum Atemwegsmanagement im Notfall adressiert werden. Nachdem der erfahrene Anästhesiefacharzt ein Definitionskriterium für den schwierigen Atemweg ist, stellt die Situation für Notfallmediziner, die in ihrer täglichen Arbeit keine Intubationsroutine erwerben, eine ungleich größere Herausforderung dar. Entsprechend dieser Problemfelder muss gelten: Jeder Atemweg im Notfall ist ein schwieriger Atemweg und erfordert damit ein strukturiertes Vorgehen. [Abb. 3] stellt einen solchen Ansatz exemplarisch dar.

Der Algorithmus „Schwieriger Atemweg“ findet Anwendung, sobald der 1. Intubationsversuch misslingt. Vor einem 2. Intubationsversuch muss als entscheidender Schritt überprüft werden, ob alle grundlegenden Vorbereitungen für eine Intubation getroffen sind und ob die Intubationsbedingungen darüber hinaus verbessert werden können. Die nachfolgend genannten Punkte sollten optimalerweise schon beim 1. Intubationsversuch berücksichtigt sein. Hierzu gehören die verbesserte Lagerung des Kopfes und die Verwendung eines Führungsstabs sowie eine suffiziente Absaugung von oraler Flüssigkeit. Bei Patienten mit potenzieller Verletzung der HWS muss stets eine manuelle Inline-Stabilisierung der HWS erfolgen.

Zur Durchführung des 2. Intubationsversuchs kann eine Narkosevertiefung notwendig sein. Hier sollte eine sich ggf. ergebende Kreislaufdepression großzügig antizipiert werden. Zur Verbesserung der Intubationsbedingungen können auch ein Wechsel des Laryngoskopspatels auf eine andere Größe und die manuelle äußere Optimierung der Kehlkopfposition durch eine Hilfsperson beitragen. Dieses Verschieben der Glottisebene in die Blickachse wird u. a. als BURP-Manöver (Backward Upward Rightward Pressure) bezeichnet. Zum erleichterten Platzieren des Endotrachealtubus kann diesem durch den im Notfall obligat verwendeten Führungsstab eine Vorbiegung gegeben werden. Alternativ kann versucht werden, bei eingeschränkter Sicht auf die Stimmbandebene wie im Fallbeispiel einen Intubationskatheter in die Trachea einzuführen. Anschließend kann der Tubus auf diese Intubationshilfe aufgefädelt, vorgeschoben und sicher platziert werden („Seldinger-Technik“). Diese Maßnahmen sind einfach zu erlernen, müssen jedoch vor dem notfallmedizinischen Einsatz trainiert werden ([Abb. 4]).

Aufgrund der zeitkritischen Brisanz sind im Notfall maximal 2 Intubationsversuche akzeptabel.

Schlägt der 2. Intubationsversuch trotz optimierter Bedingungen fehl, ist als Rückfalloption im Rahmen des Algorithmus eine supraglottische Atemwegshilfe Mittel der Wahl. Sollte auch mit supraglottischen Atemwegshilfen (SGA) keine suffiziente Ventilation möglich sein, kann die Ventilation mit Gesichtsmaske eine Rückfallebene bis zur definitiven Atemwegssicherung in einer Klinik bieten. Beide Techniken sollten auch im Falle der notwendiger Zwischenbeatmungen in Betracht gezogen werden. Auch wenn eine RSI auf eine Intubation ohne Zwischenbeatmung abzielt, bleibt die Oxygenierung des Patienten oberstes Ziel. Dies kann eine Zwischenbeatmung, beispielsweise während der Optimierung der Intubationsbedingungen nach einem gescheiterten 1. Intubationsversuch, notwendig machen.

Für den Fall, dass sich der Patient weder mit einer Gesichtsmaske noch mit einer SGA ausreichend oxygenieren lässt und eine Intubation nicht erfolgreich ist (sog. CICO-Situation: „Cannot intubate – cannot oxygenate“) ist als Ultima Ratio ein chirurgischer Atemwegszugang unabdingbar.

 

Videolaryngoskopie

In den vergangenen Jahren hat sich in vielen Kliniken die Verwendung von Videolaryngoskopen etabliert. Diese bieten bei einem potenziell schwierigen Atemweg bedingt durch eingeschränkte Reklinationsfähigkeit oder andere anatomische Gegebenheiten (s. o.) den Vorteil der Überbrückung eines optischen Winkels (indirekte Laryngoskopie), während bei der konventionellen Laryngoskopie immer eine gerade optische Achse vorliegen muss.

Die dafür auf dem Markt verfügbaren Modelle sind zunehmend kleiner geworden und können in der Notfallmedizin problemlos mitgeführt werden (z. B. C-MAC PM, Fa. Karl Storz oder MacGrath, Fa. Stryker). Bisher gibt es nur wenig Evidenz zum prähospitalen Einsatz von Videolaryngoskopen. Die vorhandene Datenlage legt jedoch nahe, dass ein prähospitaler Einsatz von Videolaryngoskopen bei schwierigen Atemwegen Vorteile bietet und das Atemwegsmanagement erleichtert. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass ein Videolaryngoskop, das auf der Technik des üblichen Macintosh-Spatels basiert, gegenüber Videolaryngoskopen mit stark gekrümmten (sog. hyperangulierten) Spateln einen wesentlichen Vorteil hat: Bei licht-, sekret- oder technikbedingt eingeschränkter Monitorsicht kann jederzeit auf die Möglichkeit der konventionellen direkten Laryngoskopie ausgewichen werden. Wird ein hyperangulierter Spatel eingesetzt, ist diese direkte laryngoskopische Sicht auf den Kehlkopf ausgeschlossen.

Wichtig bei der Verwendung von Videolaryngoskopen ist, dass die bessere Sicht nicht zwingend gleichbedeutend mit einer einfacheren Intubation ist. Der durch das Videolaryngoskop ausgeglichene Winkel muss auch bei der Führung des Tubus überwunden werden. Dafür sind Erfahrung und Routine des Anwenders unerlässlich. Eine geschickte Hilfe bietet in solchen Fällen der Einsatz eines vorbiegbaren Intubationskatheters (s. [Abb. 4]).

In Anbetracht des Hypoxierisikos und der zeitkritischen Situation beim Management des schwierigen Atemwegs im Notfall sollte die Videolaryngoskopie als initiales Hilfsmittel und nicht als zusätzliche Alternative verwendet werden. Damit verbunden ist die Hoffnung, die Inzidenz des gehäuft auftretenden schwierigen Atemwegs im Notfall reduzieren zu können.

 

Merke

Der Einsatz von Videolaryngoskopen kann durch eine optimierte Sicht auf die Stimmbandebene eine Intubation in gewissen Fällen erleichtern; ihre erfolgreiche Anwendung erfordert jedoch auch Ausbildung und regelmäßiges Training.

 

Supraglottische Atemwegshilfen

Eine SGA ist ein Hilfsmittel, das ohne Laryngoskopie („blind“) in den Pharynx eingebracht wird und dessen distale Öffnung extralaryngeal bleibt. Die Beatmungsluft tritt im Pharynx aus dem Hilfsmittel aus und passiert dann die Glottisebene. Als SGA sind Larynxmasken und Larynxtuben am weitesten verbreitet. Hier ergibt sich das Problem, dass in den Kliniken regelhaft Larynxmasken eingesetzt werden, prähospital jedoch meisten Larynxtuben vorgehalten werden. Dies kann mangelnde Routine der Anwender mit dem Larynxtubus bedingen.

Wie die endotracheale Intubation können SGA nicht ohne jegliche Erfahrung sicher angewendet werden. Jedoch lassen sich mit einem im Vergleich zur endotrachealen Intubation geringen Ausbildungsumfang eine zufriedenstellende Anwendersicherheit und Erfolgsrate erreichen. Larynxmasken können bei Patienten aller Altersgruppen zur Anwendung kommen. Darüber hinaus ist eine Gesichtsmaske schwieriger abzudichten, was die Beatmung mittels Gesichtsmaske im Vergleich zur SGA erschwert.

Auch bei der Verwendung von SGA kann eine unzureichende Narkosetiefe zur mangelnden Toleranz und zu Fehllagen führen. Limitiert wird die Anwendung von SGA durch Veränderungen des oberen Atemwegs. Hierzu zählen eine verminderte Mundöffnung, Raumforderungen, starke Blutungen und Schwellungen im Larynx- oder Halsbereich, z. B. bei Inhalationstrauma oder Anaphylaxie. In diesen Fällen ist eine Atemwegssicherung durch Intubation anzustreben.

 

Chirurgische Atemwegssicherung

Die chirurgische Atemwegssicherung im Notfall erfolgt als Koniotomie, eine transkutane Schaffung des Atemwegs unter Perforation des Lig. cricothyroideum (auch Lig. conicum). Insgesamt ist diese Maßnahme selten, dann aber von vitaler Indikation.

Die Häufigkeit einer CICO-Situation und damit verbunden die Indikation zur Koniotomie ist prähospital (0,09%) höher als innerklinisch (0,02%). Prinzipiell wird zwischen 2 Techniken unterschieden:

  • die präparativ chirurgische Technik,

  • die Punktionstechnik.

Für die Koniotomie mittels Punktionstechnik werden verschiedene Sets auf dem Markt angeboten. Diese unterscheiden sich wiederum durch 2 verschiedene Prinzipien:

  • Einerseits die direkte Punktion mit einer Führungskanüle (z. B. Quicktrach II, Fa. VBM),

  • andererseits die sekundäre Platzierung der Beatmungskanüle über einen zuvor eingebrachten Draht (Seldinger-Technik, z. B. Melker-Set, Fa. Cook Medical).

 

Eine präparative chirurgische Atemwegssicherung sollte nach Meinung der Autoren mit einem Set bestehend aus einem Skalpell Nr. 11, einer Präparierschere, einem geeigneten Tubus (Spiraltubus ID 5,0 mm mit Bougie oder spezielle Koniotomietuben – [Abb. 5]) und einem festen chirurgischen Saugeransatz durchgeführt werden.

 

Zur Anwendung sowohl der Punktionstechniken als auch der offenen chirurgischen Technik muss die Lagerung des Patienten optimiert werden. Dazu gehört, ungeachtet einer potenziellen HWS-Verletzung, die Überstreckung des Kopfes durch eine Unterpolsterung zwischen den Schulterblättern.

Der Erfolg der chirurgischen Atemwegssicherung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: An erster Stelle steht die Zeitdauer vom Entschluss zur Koniotomie bis zum erfolgreichen Etablieren derselben, welche wiederum von den chirurgischen Fertigkeiten und der Erfahrung des Notarztes sowie der adäquaten Vorbereitung beim vermutet schwierigen Atemweg abhängt und in verschiedenen Untersuchungen eine Spannbreite von 30–300 Sekunden aufweist. Daher empfiehlt es sich, jenes Verfahren anzuwenden, mit welchem die meiste Erfahrung besteht. Der Zeitfaktor ist interindividuell verschieden und durch regelmäßiges Training optimierbar.

Ein wesentlicher Faktor im Rahmen der Koniotomie ist die Komplikationsrate der einzelnen Verfahren, die mit bis zu 40% sehr hoch liegt. Neben Blutungen und der Verletzung von Nachbarorganen bedeutet die paratracheale Tubuslage das Misslingen der Koniotomie. Die Art und Häufigkeit der verschiedenen Komplikationen scheinen von der angewandten Methode abhängig zu sein. Während bei den Punktionstechniken die Verletzung von Nachbarorganen (z. B. Ösophagus- oder Larynxtrauma) sowie paratracheale Lagen häufiger sind, kommt es bei der chirurgisch-anatomischen Technik häufiger zu Blutungskomplikationen. Die Häufigkeit vor allem sekundärer paratrachealer Lagen durch die Punktionstechnik veranlasst die Autoren, der chirurgisch-anatomischen Präpariertechnik den Vorzug zu geben.

Da die chirurgische Atemwegssicherung äußerst selten vorkommt, sollten die Verfahren immer wieder am Phantom oder am anatomischen Präparat trainiert werden. Spezielle Kurse werden z. B. von den Notarztarbeitsgemeinschaften oder der Klinik für Anästhesiologie der Universität Heidelberg (INTECH) regelmäßig angeboten.

 

Kontrolle der Tubuslage und Kapnografie

Fallbeispiel – Fortsetzung

Der 1. Intubationsversuch scheitert, da der Tubus aufgrund unzureichender Krümmung nicht platziert werden kann. Sie beenden den 1. Intubationsversuch und führen eine vorsichtige Zwischenbeatmung unter Absaugbereitschaft durch. Den 2. Intubationsversuch planen Sie nun mit Intubationskatheter und Einführung des Tubus in Seldinger-Technik. Bei der 2. Videolaryngoskopie zeigt sich der gleiche Situs, jedoch lässt sich der Intubationskatheter („Bougie“) in der Trachea platzieren. Sie spüren an der Spitze des „Bougie“ wechselnden Widerstand der Trachealspangen. In der Folge gelingt auch die Einführung des Endotrachealtubus über diese Intubationshilfe. Sie entfernen den Intubationskatheter und konnektieren den Beatmungsbeutel mit angeschlossener Kapnografie. Mit den ersten Beatmungshüben zeigt sich ein endtidales CO2 von 46 mmHg. Auch die Auskultation bestätigt die endotracheale Lage des Tubus sowie eine beidseitige Ventilation. Die Kreislaufsituation ist unverändert stabil. Der Tubus wird fixiert, der Immobilisationskragen vorübergehend bis zur definitiven Immobilisation in der Vakuummatratze mit Head Blocks wieder geschlossen (Cave: starrer Halskragen bei Hirndruckzeichen). In der Folge verbringen Sie den Patienten nach Voranmeldung und unter Aufrechterhaltung der Narkose in den Schockraum eines Maximalversorgers. Die radiologische Diagnostik ergibt eine epidurale Blutung bei Kalottenfraktur.

 

Unmittelbar nach jeder Atemwegssicherung muss mit den ersten Beatmungshüben die Tubuslage kontrolliert werden. Essenziell sind hier die Messung des endtidalen CO2 (etCO2) mittels Kapnometrie sowie die Auskultation. Die Kapnometrie ist dabei das primäre Verfahren zur Verifikation einer pulmonalen Ventilation und damit zur Lagerichtigkeit der verwendeten Atemwegssicherung. Folglich soll die verfügbare etCO2-Messung bereits vor Intubation bereitgestellt und gerätespezifisch konnektiert sein.

Die Auskultation dient lediglich als Mittel zur Kontrolle der seitengleichen Ventilation. Dabei sollte der Auskultationsort für jede Seite möglichst lateral gewählt werden, um ein fortgeleitetes Atemgeräusch nicht fehlzuinterpretieren. Sollte die Ventilation nicht zweifelsfrei mittels Kapnometrie verifiziert werden können, muss das Atemwegshilfsmittel entfernt und erneut oder eine Alternative platziert werden.

Nach Verifikation der Ventilation wird das Atemwegshilfsmittel fixiert und die HWS-Immobilisation wieder geschlossen. Für die Fixierung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Neben kommerziellen Fixierungsklemmen kann mit etwas Übung die Tubusfixierung auch mittels Pflaster oder einer Mullbinde erfolgen. Wichtig ist, die Insertionstiefe des Atemwegshilfsmittels an der Zahnreihe oder, sollte diese fehlen, im Mundwinkel zu kommunizieren und zu dokumentieren, um eine Dislokation rechtzeitig zu bemerken.

 

Merke

Zur frühzeitigen Tubuslagekontrolle soll bereits mit dem 1. Beatmungshub eine etCO2-Messung erfolgen.

Fazit

Die prähospitale Atemwegssicherung ist eine seltene und häufig schwierige Maßnahme, die jedoch entscheidende Auswirkungen auf das Patientenoutcome hat. Ihr Erfolg ist von vielfältigen Faktoren abhängig, von denen einige durch die Anwender beeinflusst werden können. Ein strukturiertes Vorgehen anhand eines Algorithmus sowie eine fundierte Ausbildung und regelmäßiges Training können die Performance deutlich verbessern. Interdisziplinäre Kursformate wie der Kurs A.N.N.A. (Atemwegsmanagement und Narkose in Notfall- und Akutmedizin) der DIVI können eine einheitliche Basis zum Atemwegsmanagement im Notfallteam schaffen.