veröffentlicht in: ILIAS eLearning an der Universitätsmedizin Göttingen, 2022
Hintergrund. Ziel ist es, dass die nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) erforderlichen Maßnahmen getroffen, um "übertragbare Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern" (§1, Abs. 1).
Asymptomatische Personen können mit von Mensch zu Mensch übertragbaren Infektionserregern besiedelt oder infiziert sein. Daher müssen im Behandlungsalltag stets im Umgang mit allen Patienten bestimmte grundlegende Präventionsmaßnahmen eingehalten werden, die sowohl dem Schutz anderer Patienten als auch dem Schutz des Personals vor einer Übertragung dienen. Diese immer einzuhaltenden Maßnahmen werden als Maßnahmen der Basishygiene bezeichnet und umfassen die Händehygiene, Barrieremaßnahmen, Flächendesinfektion, Aufbereitung von Medizinprodukten, Abfallentsorgung und Wäscheaufbereitung. Im Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen dient die Basishygiene der Prävention von Krankenhausinfektionen (nosokomiale Infektionen). In diesem Modul steht die Händehygiene im Fokus.
Häufigster Übertragungsweg. Die meisten Krankenhauserreger können über kontaminierte Hände übertragen werden. Die nicht desinfizierten Hände der Beschäftigten und ggf. der Patienten sind ein wichtiger Übertragungsweg der meisten Krankheitserreger von einem Patienten auf den anderen.
Indikationen für die Händedesinfektion entstehen vor und nach Kontakt mit dem Patienten, unmittelbar vor aseptischen Tätigkeiten, nach Kontamination (Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten), nach Kontakt mit der Patientenumgebung sowie nach Ablegen von Einmalhandschuhen.
Die hygienische Händedesinfektion dient daher nicht nur dem Schutz der Beschäftigten, sondern sie ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von
nosokomialen Infektionen.
Es wird
Das Ablaufschema der hygienischen Händedesinfektion wird in dem folgenden Lehrfilm dargestellt (Quelle: UMG):
Voraussetzungen. Fingernägel müssen kurz geschnitten sein und mit den Fingerkuppen abschließen. Nagellack und künstliche Fingernägel sind abzulehnen, weil sie die Sichtbeurteilung der Nägel behindern und mit steigender Tragedauer die Kolonisation auf den Nägeln zunimmt. Schmuckstücke (z.B. Uhren, Ringe etc.) an Händen und Unterarmen können die sachgerechte Händehygiene behindern, dadurch zu einem Erregerreservoir werden und müssen abgelegt werden.
Wahl des Desinfektionsmittels. Das benötigte Wirkungsspektrum der Händedesinfektionsmittel hängt von der angestrebten Verwendung ab, schließt aber in jedem Fall bakterielle Krankeitserreger ein.
Die Aktion Saubere Hände ist ein Aktionsbündnis unter Organisation des Nationalen Referenzzentrums für Suiveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ, Berlin), welches in Anlehnung an die WHO-Kampagne "Clean Care is Safer Care" folgende Ziele verfolgt:
Seit 2015 nimmt die Universitätsmedizin Göttingen an der WHO-Kampagne "Aktion Saubere Hände" teil, um Messinstrumente zur Evaluierung des Händedesinfektionsverhaltens zu etablieren. Dies geschieht indirekt durch die Erfassung des Händedesinfektionsmittelverbrauchs im Modul HAND-KISS am NRZ durch jährliche Versendung der Daten an die Pflegedienstleistungen und Kliniksdirektoren der UMG. Es geschieht aber auch durch direkte Beobachtung auf den Stationen durch die Hygienefachkräfte im täglichen Stationsalltag. Die Beobachtung erfolgt anonymisiert.
Als Indikation wird eine Situation definiert, in der eine Händedesinfektion notwendig wird. Dies erklärt sich aus dem Risiko einer Übertragung von pathogenen Erregern. Durch die Händedesinfektion wird eine Übertragung zu diesem Zeitpunkt effektiv unterbunden.
Die Indikation wird zeitlich formuliert als "VOR" und "NACH" Kontakt, was jedoch nicht notwendigerweise als Beginn und Ende einer pflegerischen Sequenz oder Aktivität zu sehen ist. Sie wird definiert als Bewegungen zwischen verschiedenen Bereichen (direkte und erweiterte Patientenumgebung, kolonisierte und nicht kolonisierte Körperbereiche).
Die Compliance des Personals bei der Händedesinfektion hat einen direkten Einfluss auf die Übertragung von pathogenen Erregern und die Entstehung nosokomialer Infektionen. Händedesinfektion ist keine Option oder eine Sache der Gelegenheit. Die Indikationen für eine Händedesinfektion korrespondieren mit klar definierten Situationen aus dem Alltag der Patientenversorgung. Aufgrund der Menge an möglichen Situationen wurde von der WHO ein Modell geschaffen, welches in der Formulierung von 5 Indikationsgruppen mündete.
Das Modell definiert eine direkte und eine erweiterte Patientenumgebung.
Direkte Patientenumgebung. Als direkte Patientenumgebung werden folgende Bereiche definiert:
Erweiterte Patientenumgebung. Alle darüber hinausgehende Bereiche des Patientenzimmers.
Dem unmittelbaren Patientenschutz dient die Indikation 2 (vor aseptischen Tätigkeiten).
Beispiele für eine Händedesinfektion vor aseptischen Tätigkeiten sind:
Einer der häufigsten Gründe, warum eine Händedesinfektion nicht durchgeführt wird, ist die Nutzung von keimarmen Einmalhandschuhen. Einmalhandschuhe werden zu häufig als Ersatz für die hygienische Händedesinfektion verwendet. Das Tragen von Einmalhandschuhen ist vorrangig eine Maßnahme des Personal-/Arbeitsschutzes und kann keine Händedesinfektion ersetzen oder gar überflüssig machen. Sie ist für sich genommen explizit keine ausreichende Maßnahme zum Schutz des Patienten.
Barrieremaßnahmen sind nicht gleichzusetzen mit der "räumlichen Isolation" von Patienten mit multiresistenten Erregern (MRE) oder einer Infektionskrankheit.
Als Barrieremaßnahmen werden allgemeine Maßnahmen bezeichnet, die zur Vermeidung der Übertragung von Krankheitserregern grundsätzlich von allen Beschäftigten im täglichen Umgang bei allen Patienten zu beachten und anzuwenden sind.
Die für die Barrieremaßnahmen genutzte persönliche Schutzausrüstung (PSA) bildet eine mechanische Barriere zwischen dem Träger und seiner Umgebung. Daher dient ihr Einsatz nicht nur dem Schutz des Personals, sondern auch dazu - bei sachgerechter Anwendung und Entsorgung - die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu verhindern.
Persönliche Schutzausrüstung sollte patientennah zur Verfügung gestellt werden.
PSA: keimarme Einmalhandschuhe. Keimarme Einmalhandschuhe werden zur Vermeidung der Kontamination der Hände des Personals
verwendet, wenn direkter Kontakt mit Blut, Sekreten, Exkreten, Schleimhäuten oder nicht intakter Haut zu erwarten ist. Beispiele für die Nutzung:
Das Tragen von keimarmen Einmalhandschuhen ersetzt nicht die hygienische Händedesinfektion!
PSA: Schutzschürzen. Schutzschürzen oder Schutzkittel müssen bei Eingriffen oder Pflegemaßnahmen zum Schutz vor direktem Kontakt mit Blut, Sekreten, Exkreten oder mit anderen kontaminierten Materialien getragen werden. Beispiele für die Nutzung von Schutzschürzen als Schutz/Barriere der Berufskleidung:
PSA: Mund-Nasen-Schutz. Ein Mund-Nasen-Schutz oder eine Schutzbrille müssen angelegt werden, wewnn mit Verspritzen von Blut, Sekreten oder Exkreten zu rechnen ist. Beispiele für die Nutzung von Mund-Nasen-Schutz oder Schutzbrille:
Verhindern Sie die Weiterverbreitung von Krankheitserregern - Barrieremaßnahmen schützen vor Übertragung!