Händehygiene und Barrieremaßnahmen

04.07.2022

veröffentlicht in: ILIAS eLearning an der Universitätsmedizin Göttingen, 2022

Einleitung

Hintergrund. Ziel ist es, dass die nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) erforderlichen Maßnahmen getroffen, um "übertragbare Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern" (§1, Abs. 1).

Asymptomatische Personen können mit von Mensch zu Mensch übertragbaren Infektionserregern besiedelt oder infiziert sein. Daher müssen im Behandlungsalltag stets im Umgang mit allen Patienten bestimmte grundlegende Präventionsmaßnahmen eingehalten werden, die sowohl dem Schutz anderer Patienten als auch dem Schutz des Personals vor einer Übertragung dienen. Diese immer einzuhaltenden Maßnahmen werden als Maßnahmen der Basishygiene bezeichnet und umfassen die Händehygiene, Barrieremaßnahmen, Flächendesinfektion, Aufbereitung von Medizinprodukten, Abfallentsorgung und Wäscheaufbereitung. Im Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen dient die Basishygiene der Prävention von Krankenhausinfektionen (nosokomiale Infektionen). In diesem Modul steht die Händehygiene im Fokus.

 

Häufigster Übertragungsweg. Die meisten Krankenhauserreger können über kontaminierte Hände übertragen werden. Die nicht desinfizierten Hände der Beschäftigten und ggf. der Patienten sind ein wichtiger Übertragungsweg der meisten Krankheitserreger von einem Patienten auf den anderen.

Indikationen für die Händedesinfektion entstehen vor und nach Kontakt mit dem Patienten, unmittelbar vor aseptischen Tätigkeiten, nach Kontamination (Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten), nach Kontakt mit der Patientenumgebung sowie nach Ablegen von Einmalhandschuhen.

Die hygienische Händedesinfektion dient daher nicht nur dem Schutz der Beschäftigten, sondern sie ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von nosokomialen Infektionen.

Durchführung der hygienischen Händedesinfektion

Es wird

  • ein Volumen von 3 ml (2 Hübe bzw. die Menge, die in eine Hohlhand passt)
  • in beide trockenen und optisch sauberen Hände eingerieben
  • sodass die gesamte Oberfläche der Hand, d.h. Fingerspitzen, Nagelfalze, Daumen, Fingerzwischenräume, Innen- und Außenflächen, Handgelenke
  • für die Dauer von 30 Sekunden mit dem Desinfektionsmittel benetzt sind

Das Ablaufschema der hygienischen Händedesinfektion wird in dem folgenden Lehrfilm dargestellt (Quelle: UMG):

Voraussetzungen und Wahl des Händedesinfektionsmittels

Voraussetzungen. Fingernägel müssen kurz geschnitten sein und mit den Fingerkuppen abschließen. Nagellack und künstliche Fingernägel sind abzulehnen, weil sie die Sichtbeurteilung der Nägel behindern und mit steigender Tragedauer die Kolonisation auf den Nägeln zunimmt. Schmuckstücke (z.B. Uhren, Ringe etc.) an Händen und Unterarmen können die sachgerechte Händehygiene behindern, dadurch zu einem Erregerreservoir werden und müssen abgelegt werden.

 

Wahl des Desinfektionsmittels. Das benötigte Wirkungsspektrum der Händedesinfektionsmittel hängt von der angestrebten Verwendung ab, schließt aber in jedem Fall bakterielle Krankeitserreger ein.

  • Bei sporenbildenden Bakterien (z.B. Clostridioles difficile - früher: Clostridium difficile) ist eine Händewaschung nach der Händedesinfektion durchzuführen.
  • Nach Versorgung von Patienten mit Viruserkrankungen bzw. nach Umgang mit virushaltigem Material ist in Abhängig von der Art der Viren ein begrenzt viruzides oder viruzides Händedesinfektionsmittel anzuwenden.
  • Sobals unbehüllte Viren im Stationsbereich oder bei zu versorgenden Patienten auftreten (z.B. Noroviren) hat die Umstellung auf ein Händedesinfektionsmittel mit entsprechendem Wirkungsbereich nach vorheriger Rücksprache mit der Krankenhaushygiene zu erfolgen.

Aktion Saubere Hände

Die Aktion Saubere Hände ist ein Aktionsbündnis unter Organisation des Nationalen Referenzzentrums für Suiveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ, Berlin), welches in Anlehnung an die WHO-Kampagne "Clean Care is Safer Care" folgende Ziele verfolgt:

  • die hygienische Händedesinfektion wieder stärker als evidenzbasierte Infektionskontrollmaßnahme in der Patientenversorgung zu etablieren
  • die Optimierung des Arbeitsumfeldes des Krankenhauspersonals hinsichtlich der Verfügbarkeit von Händedesinfektionsmittel
  • die Verbesserung der Patientenversorgung durch Reduktion von Krankenhausinfektionen
  • die Etablierung der hygienischen Händedesinfektion als einen Parameter für die Qualität in der Patientenversorgung

Seit 2015 nimmt die Universitätsmedizin Göttingen an der WHO-Kampagne "Aktion Saubere Hände" teil, um Messinstrumente zur Evaluierung des Händedesinfektionsverhaltens zu etablieren. Dies geschieht indirekt durch die Erfassung des Händedesinfektionsmittelverbrauchs im Modul HAND-KISS am NRZ durch jährliche Versendung der Daten an die Pflegedienstleistungen und Kliniksdirektoren der UMG. Es geschieht aber auch durch direkte Beobachtung auf den Stationen durch die Hygienefachkräfte im täglichen Stationsalltag. Die Beobachtung erfolgt anonymisiert.

 

Die 5 Indikationen der Händedesinfektion

Als Indikation wird eine Situation definiert, in der eine Händedesinfektion notwendig wird. Dies erklärt sich aus dem Risiko einer Übertragung von pathogenen Erregern. Durch die Händedesinfektion wird eine Übertragung zu diesem Zeitpunkt effektiv unterbunden.

Die Indikation wird zeitlich formuliert als "VOR" und "NACH" Kontakt, was jedoch nicht notwendigerweise als Beginn und Ende einer pflegerischen Sequenz oder Aktivität zu sehen ist. Sie wird definiert als Bewegungen zwischen verschiedenen Bereichen (direkte und erweiterte Patientenumgebung, kolonisierte und nicht kolonisierte Körperbereiche).

Die Compliance des Personals bei der Händedesinfektion hat einen direkten Einfluss auf die Übertragung von pathogenen Erregern und die Entstehung nosokomialer Infektionen. Händedesinfektion ist keine Option oder eine Sache der Gelegenheit. Die Indikationen für eine Händedesinfektion korrespondieren mit klar definierten Situationen aus dem Alltag der Patientenversorgung. Aufgrund der Menge an möglichen Situationen wurde von der WHO ein Modell geschaffen, welches in der Formulierung von 5 Indikationsgruppen mündete.

"My 5 Moments of Hand Hygiene"

  1. unmittelbar vor Patientenkontakt
  2. unmittelbar vor aseptischen Tätigkeiten
  3. nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material
  4. nach Patientenkontakt
  5. nach Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung

Das Modell definiert eine direkte und eine erweiterte Patientenumgebung.

 

Direkte Patientenumgebung. Als direkte Patientenumgebung werden folgende Bereiche definiert:

  • auf Intensivstationen: Patientenbett mit Infusomaten/Perfusoren, Beatmungseinheit, Überwachungsmonitor, zugehöriger Computerarbeitsplatz (wenn direkt am Patientenbett gelegen) sowie alle dem Patienten zugeordneten Geräte etc.
  • auf Normalstationen: Patientenbett mit dazugehörigem Nachttisch und den darin befindlichen persönlichen Gegenständen des Patienten sowie alle dem Patienten zugeordneten Geräte, Devices etc.

Erweiterte Patientenumgebung. Alle darüber hinausgehende Bereiche des Patientenzimmers.

Händehygiene vor aseptischen Tätigkeiten

Dem unmittelbaren Patientenschutz dient die Indikation 2 (vor aseptischen Tätigkeiten).

Beispiele für eine Händedesinfektion vor aseptischen Tätigkeiten sind:

  • vor dem Legen jeder Art von Kathetern durch die durchführende und assistierende Person
  • vor Konnektion/Diskonnektion jeder Art von Kathetern, Drainage- und Infusionssystemen
  • vor der Zubereitung von parenteral, intramuskulär oder subkutan zu verabreichenden Medikamenten oder Infusionslösungen
  • vor der Durchführung von Injektionen
  • vor dem Absaugen
  • vor jedem Kontakt mit nicht intakter Haut und Schleimhaut
  • vor jedem Kontakt mit Wunden
  • zwischen dem Entfernen des alten Verbandes und dem Anlegen des neuen, sterilen Verbandes

Einer der häufigsten Gründe, warum eine Händedesinfektion nicht durchgeführt wird, ist die Nutzung von keimarmen Einmalhandschuhen. Einmalhandschuhe werden zu häufig als Ersatz für die hygienische Händedesinfektion verwendet. Das Tragen von Einmalhandschuhen ist vorrangig eine Maßnahme des Personal-/Arbeitsschutzes und kann keine Händedesinfektion ersetzen oder gar überflüssig machen. Sie ist für sich genommen explizit keine ausreichende Maßnahme zum Schutz des Patienten.

Barrieremaßnahmen

Barrieremaßnahmen sind nicht gleichzusetzen mit der "räumlichen Isolation" von Patienten mit multiresistenten Erregern (MRE) oder einer Infektionskrankheit.

Als Barrieremaßnahmen werden allgemeine Maßnahmen bezeichnet, die zur Vermeidung der Übertragung von Krankheitserregern grundsätzlich von allen Beschäftigten im täglichen Umgang bei allen Patienten zu beachten und anzuwenden sind.

 

Die für die Barrieremaßnahmen genutzte persönliche Schutzausrüstung (PSA) bildet eine mechanische Barriere zwischen dem Träger und seiner Umgebung. Daher dient ihr Einsatz nicht nur dem Schutz des Personals, sondern auch dazu - bei sachgerechter Anwendung und Entsorgung - die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu verhindern.

 

Persönliche Schutzausrüstung sollte patientennah zur Verfügung gestellt werden.

 

PSA: keimarme Einmalhandschuhe. Keimarme Einmalhandschuhe werden zur Vermeidung der Kontamination der Hände des Personals verwendet, wenn direkter Kontakt mit Blut, Sekreten, Exkreten, Schleimhäuten oder nicht intakter Haut zu erwarten ist. Beispiele für die Nutzung:

  • Blutentnahme
  • Entfernen von Verbänden
  • und ... und ... und

Das Tragen von keimarmen Einmalhandschuhen ersetzt nicht die hygienische Händedesinfektion!

 

PSA: Schutzschürzen. Schutzschürzen oder Schutzkittel müssen bei Eingriffen oder Pflegemaßnahmen zum Schutz vor direktem Kontakt mit Blut, Sekreten, Exkreten oder mit anderen kontaminierten Materialien getragen werden. Beispiele für die Nutzung von Schutzschürzen als Schutz/Barriere der Berufskleidung:

  • Verbandwechsel mit großen oder stark sezernierenden Wunden, Spülverbände
  • bei Ganzkörperwaschung eines Patienten
  • bei der Patientenversorgung mit Kontakt zu Ausscheidungen, z.B. mit Faees o.a.
  • bei der Versorgung von Anus praeter oder Urostoma
  • Endoskopien
  • und ... und ... und

 

PSA: Mund-Nasen-Schutz. Ein Mund-Nasen-Schutz oder eine Schutzbrille müssen angelegt werden, wewnn mit Verspritzen von Blut, Sekreten oder Exkreten zu rechnen ist. Beispiele für die Nutzung von Mund-Nasen-Schutz oder Schutzbrille:

  • Absaugen eines Patienten mit Tracheostoma
  • große Spülverbände

Verhindern Sie die Weiterverbreitung von Krankheitserregern - Barrieremaßnahmen schützen vor Übertragung!